Eine reine Standpunktfrage?

Gibt es überhaupt so etwas wie eine objektive Wahrheit?

Oder ist jede „Wahrheitsfrage“ letztendlich eine subjektive?

Bzw. eine Frage der Perspektive bzw. des Standpunktes, von dem aus wir auf eine vermeintliche Wahrheit schauen?

Weil jeder über sein langes Suchen, Finden, Interpretieren und wieder Korrigieren mit der Zeit sicher ist die Wahrheit gefunden zu haben oder ihr zumindest sehr nahe zu sein, entsteht Besserwisserei, Intoleranz und Verbohrtheit unter den Wahrheitssuchern.

Daneben gibt es diejenigen, die an gar keine objektive Wahrheit glauben und jede Form der Wahrheit als eine subjektive bezeichnen, da sie davon ausgehen, dass es nur das Subjekt der Wahrheitssuche gibt. Sie glauben an eine Liebe die jenseits einer Wahrheit ist und dass alles weitere „Matrix“ oder Täuschung ist. Diese philosophische Richtung des Solipsismus findet in der Eso-Szene tatsächlich wieder eine breite Anhängerschaft.

Aber hat all das etwas mit WAHRHEIT zu tun? Der WAHRHEIT die so viel beschworen in so vielen spirituellen Texten zum Ausdruck kommt und mit dem heren Begriff der Weisheit EINS ist?

Nein, all das meint vielmehr Wissen und Überzeugungen die man sich im laufe seines Lebens angeeignet hat… die mal dies und jedens beinhalten kann und im Grunde aus Ideen besteht, die man mal da oder dort gelesen oder gehört hat… und weil man sie schön fand… oder logisch oder sonst wie überzeugend… übernommen hat.
Aber genau DAS hat mit WAHRHEIT noch GAR NICHTS zu tun! Zumindest nicht mit der Wahrheit, von der ich hier sprechen möchte und die ich als  „LEBENDIGE WAHRHEIT“ bezeichnen möchte!

Diese ist nämlich viel mehr eine Frage des Sehenden als des Gesehenen!

Pilatus sagte: „Was ist Wahrheit“ oder „was ist schon Wahrheit“ und relativierte sie, damit er sie nicht sehen muss, während sie ihm lebendig vor Augen stand. Wohl so deutlich und lebendig, wie es nicht deutlicher und lebendiger sein konnte!

Wahrheits- oder Standpunktfragen kann sich jeder entziehen und sie bestreiten oder sie zurechtbiegen, wie er sie gerade braucht.
Aber der LEBENDIGEN WAHRHEIT kann sich kein Mensch entziehen – mämlich dem Leben, dem Alltag und was mir darin widerfährt!

Das Leben ist unser eigentlicher Lehrer, ob wir das nun anerkennen oder nicht!

Klar, niemand kann einen dazu verpflichten aus dem Leben zu lernen oder aus dem Erlebten Schlüsse zu ziehen. Eines aber kann ebenfalls niemand: Verhindern, dass man damit konfrontiert ist. Und das sollte genügen!

Daher ist es auch allein das Leben, welches uns überführen und dazu bringen kann, dass wir unsere überholten Weltanschauungen anpassen und revidieren. Einfach, weil wir erleben, dass das was wir als Wahrheit oder spirituelle Überzeugung im Kopf von irgendwoher oder von irgendjemanden angenommen haben, überhaupt nicht mit unserem Alltag und Leben übereinstimmt! Ja, dass diese „Wahrheiten“ im Leben ganz einfach nicht aufgehen!

Was will mir mein Leben sagen, was will es mir zeigen? Das ist die Wahrheitsfrage, die wir uns stellen sollen – nicht irgendeine abstrakte spirituelle Wahrheitsfrage, ob es diese oder jene spirituellen Dinge gibt oder nicht gibt.

Davon wird niemand seinen Alltag bewältigen können. Davon wird sich sozusagen niemand „nähren“ können. Wenn wir darüber streiten, dann doch nur, weil wir erhoffen, dass wir über diese Umwege auch Antworten auf unser Leben finden.

Wir leben meist ein Doppelleben. Auf der einen Seite spirituelle Überzeugungen und scheinbare „Wahrheiten“ und daneben noch ein abgespaltener Alltag, der uns jeden Tag mehr und mehr Rätsel aufgibt. Rätsel, die wir nicht wahrhaben wollen, nicht anschauen wollen und nicht mehr als Herausforderung annehmen wollen, sondern u.a. mit abstrusen Ideen von einer ungerechten, unverständlichen Matrix und ähnlichen Geschichten abtun und erklären.

Wie kann ich aber wieder die Wahrheiten finden, die ich für mein Leben brauche? Wie endlich die Antworten finden, die auf meine Lebensfragen hin brennen?

Zunächst: Indem ich tatsächlich erst mal anerkenne, dass das Leben, mein Alltag und mein Schicksal meine eigentlichen Lehrer sind!
Und dann: Dass ich anerkenne, dass ich wieder in Interaktivität mit diesen Lebensfragen gehen muss: Warum sind Dinge in meinem Leben so, wie sie sind – ohne vorgefertigte Antworten, die ich in meinem Kopf dafür bereits gefunden zu haben meine!

Letzteres scheint mir sehr wichtig zu sein. Den Kopf frei zu machen von all den vermeintlichen Wahrheiten, die oft nur blockierender Mist sind!

Für die meisten von uns scheint es das Schlimmste überhaupt zu sein, nicht auf alles sofort irgendeine Antwort zu haben. Es macht uns Angst, dem Leben ausgeliefert zu sein und es nicht zu verstehen. Eine vorschnelle Antwort, die wir im Grunde anzweifeln, ist uns lieber als uns dem Leben in Hingabe auszuliefern und in Demut zu überantworten. Warum?

Weil wir uns selber zum Schöpfer gemacht haben in einem kalten Universum, in dem es nur Angst, Unberechenbarkeit  und leblose Ordnungen und Gesetze gibt?

Echte Interaktivität mit meinem Leben und meinen Lebensfragen braucht aber genau das Gegenteil:
Es braucht wieder die Überzeugung, dass das Leben selber die Antwort ist! Dass alles, was mir widerfährt in jeder neuen Sekunde meines neuen Lebens bereits die eigentliche Antwort auf meine zuvor gestellten Fragen ist – ob ich diese erkenne oder nicht, ob ich diese zu deuten verstehe oder nicht!

Antwortet mir das Leben wirklich? Oder ist es nur die Resonanz aus meinem eigenen, erschaffenen Leben, weil ich mich selber als Schöpfer begreife?

Dies kann ich nur herausfinden, indem ich zunächst auszuschließen versuche, ob hinter meinem Leben nicht doch eine Vorsehung Gottes steht, die mir über mein Schicksal und meinem Alltag versucht zu antworten.
Um diese herauszufinden, kann ich etwas Großartiges versuchen:
Ich trete in Interaktivität mit meinem Leben in der Überzeugung, dass das Leben selber mir die Antwort zeigt, aber diesmal in einer lebendigen Interaktivität damit. Indem ich mich auf ein Gegenüber als Gott meines Schicksals beziehe noch ehe ich vielleicht an dieses Gegenüber als solches glaube. Gibt es dieses Gegenüber tatsächlich, wird folglich auch die Interaktivität entsprechend sein und meine Lebensfragen werden über das Leben nicht nur beantwortet, sondern mir auch wie durch ein lebendiges Gegenüber verständlich gemacht.

Wäre dieses Experiment nicht ein Versuch wert?

Du hast damit nichts zu verlieren, sondern nur alles zu gewinnen.

Der bedeutende urchristliche Schriftsteller Clemens Alexandrinus verstand in seiner herausragenden Schrift „Paidagogos“, dass es nur diesen einen Lehrer für uns Menschen geben kann: Das Leben!
Er verstand, dass echte Wahrheiten nur Lebenswahrheiten auf mein Leben sein können und nicht irgendwelche abstrakte oder übergeordnete Wahrheiten. Wahrheit ist lebendig und individuell, wie wir Menschen lebendig und individuell sind. Ich kann sie finden, für mich selber und sie nähren mich dann auch ganz unmittelbar und für diesen Moment. Ich kann sie weder konservieren noch auf andere übertragen oder gar als allgemeingültigen Maßstab für andere erheben.
Jeder darf und muss die lebendige Wahrheit selber und in einer lebendigen Interaktivität mit seinem Schöpfer und seinem Leben finden. An diesem Weg führt nichts vorbei und soll auch nichts vorbei führen.

Clemens von Alexandrinus nannte diese Art von lebendiger Wahrheit und Interaktivität mit ihr, die Interaktivität mit dem Logos Gottes.
Da er erkannte, dass Jesus Christus als der Logos Gottes bildhaft und in Entsprechung zu allen Ausdrucksformen des Lebens steht. Die Antwort des Lebens selbst über das Leben. Das ist die Dimension von Jesus Christus die auch in den christlichen Kirchen heutzutage sehr verloren gegangen ist.

Damit diese Frage nach der Wahrheit endlich beantwortet werden kann, ist ER Mensch geworden! ER spricht nicht über die Wahrheit – ER IST die lebendige WAHRHEIT!

lebenslebendig

Werbung

Veröffentlicht von

lebenslebendig

seit mehr als 25 Jahren bin ich auf meinem spirituellen Weg der durch viele esoterische Richtungen wieder zurück zum Christentum geführt hat. All die Jahre hindurch hat mich das Studium sämtlichen Schriften aus dem Urchristentum nie losgelassen. Mir geht es inzwischen absolut wie in dem Gleichnis von dem Schatz im Acker oder dem, der DIE Perle gefunden hat: „Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.“ ( Matth. 13,44-45)

Kommentar verfassen

Bitte logge dich mit einer dieser Methoden ein, um deinen Kommentar zu veröffentlichen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s