Spirituell untermauerte Ego-gesellschaft

Wie kann das sein? Dass wir mehr denn je von Liebe und Selbstliebe sprechen, aber so viel Täuschung und Lieblosigkeit untereinander erfahren?

Bitte nicht falsch verstehen. Ich nehme mich da selber keineswegs aus. Jeder sollte bei sich selber anfangen. Denn schöne Worte schreiben oder sprechen, das ist einfach. Es muss sich auch im Leben zeigen!

Andere meinen, es haben sich nur die Umstände und die Zeiten geändert und die Menschen waren nie anders. Schon immer gab es solche und solche.

Was aber unsere Zeit charakterisiert, ist mit Sicherheit eine Art Egoismus, der zugenommen hat und gerne als Selbstverwirklichung verkauft wird. Ein verstärktes Kreisen um sich selbst, das gerne als eine Art Individualisierung, ja, eine Art Befreiung gefeiert wird. Eine Befreiung von alten Fesseln der Bevormundung durch Kirche und Religion?

Diese gesellschaftliche Bevormundung hat allerdings in den letzten Jahrzehnten entscheidend abgenommen. Aber die gegenseitige Bevormundung, Versklavung und Rechthaberei – hat die wirklich abgenommen?

Sind wir wirklich toleranter geworden?

Von unseren Worten und Idealen her vielleicht schon. Wir geben uns gerne den Anschein eines weltoffenen und aufgeklärten Menschen, aber leben wir das auch? Haben wir wirklich mehr Liebe untereinander? Mehr Toleranz?

Oder ist es vielmehr so: Der einzige Bezug, der bleibt, weil Gebote und Regeln in einer pluralistischen Gesellschaft niemanden mehr interessieren, ist eben der Bezug auf sich selbst!

Und dabei ist offenbar die Psychologie oder Psychotherapie zur Ersatzreligion geworden ohne dass sie das jemals sein wollte. Aber ihr Credo: Schau zuerst mal auf dich selbst. Beobachte dich selbst. Was geht in dir vor? Was fühlst du? Was ist der eigentliche Hintergrund deines Verhaltens… und so weiter. Dies alles ist inzwischen zu einer neuen Daseins-Identifikation geworden, die uns selbstverständlich geworden ist. Und das in kurzer Zeit, erst seit Freud, seit dem 19. Jahrhundert. Wenngleich sie dann immer weiter entwickelt wurde.

Sie ist zweifellos sehr bedeutsam, wichtig und gut! Ganz klar!

Aber hat sie sich inzwischen nicht zu einer spirituellen Weltsicht erweitert? Vielleicht auch, indem sie von der Esoterik und fernöstlichen Konzepten aufgepeppt wurde?

Ihr Credo wurde dabei auch modifiziert. Und zwar nicht unwesentlich. Es heißt jetzt: Du bist selber Schöpfer! Alles, was dir im Außen begegnet, bist du selbst! Auch deine Mitmenschen, ja die ganze Welt ist nur ein Spiegel deiner selbst. Alles, was du in diesen Resonanzraum der Schöpfung aussendest, sei es liebevolle oder lieblose Energien, sie kommen entsprechend wieder auf dich zurück.

Während also die Psychologie und Psychotherapie die Frage nach Gott und Spiritualität noch völlig offen lässt, scheint jetzt eine neue Strömung entstanden zu sein eine, die auf die exzentrischer und egoistischer gewordene Gesellschaft der Moderne eine Antwort gefunden zu haben scheint, nämlich: Du bist nicht nur ein erfolgreicher Geschäftsmann und Macher. Du bist auch selber Gott, selber Schöpfer!

Was zunächst von bedeutenden Psychotherapeuten und Medizinern wie Rüdiger Dahlke noch mit Resonanzgesetzen bezeichnet wurde, wurde von anderen weiter verarbeitet und einfach absolut gesetzt. Ja, zu einem kosmischen Gesetz schlechthin erhoben. Das Spiegelgesetz.

Ein spezielles Modell einer exzentrischen Weltanschauung.

Was dieses Modell nämlich ganz vergisst oder einfach negiert, ist die Interaktion zwischen den einzelnen Aus-Sendern (Schöpfern). Gibt es die noch? Oder ist der andere Schöpfer nun auch ein absoluter Teil meines Resonanzraums, der mich widerspiegelt?

Dass hier ein eklatanter Fehler in der Logik liegt, ist klar ersichtlich. Wäre nämlich nur EIN Mensch, der entsprechend seines Schöpferdaseins in seinem entsprechenden Resonanzraum (der Schöpfung) agieren und reagieren würde, wäre alles logisch.

Aber wie sollen diese Gesetze funktionieren, wenn viele Schöpfer sich im selben Resonanzraum widerspiegeln? Ist die Begegnung mit dem Anderen dann nur mehr eine Begegnung mit mir selbst? Gibt es den Anderen dann faktisch gar nicht mehr als Gegenüber? Obwohl er doch als Schöpfer ebenso auf einer Stufe mit mir steht und schöpft? Ist der Andere also nur noch Schöpfung und nicht auch noch Schöpfer, der nicht nur innerhalb der Resonanzgesetze, sondern auch direkt mit mir interagieren kann?

Wenn ja, dann bricht diese ganze Logik der absolut gesetzten Spiegelgesetz-Welt in sich zusammen wie ein Kartenhaus. Daher wird dies gar nicht erst reflektiert.

Und genau darin liegt auch schon die abwertende Gesinnung in dieser Weltanschauung gegenüber den Mitmenschen begraben. Der Mitmensch ist nur noch ein Teil meines Spiegels, wie der ganze Rest der Schöpfung auch!

Wie fühlt sich das an? Für einen Mitmenschen oder gar einen Liebespartner? Wenn sich jemand nicht an dessen Liebe erfreut, sondern an seiner eigenen Liebe? Weil sich ja nur diese jetzt gerade im Anderen spiegelt? Und zwar immer!

Denn, kommt die Liebe nicht über den Anderen zurück, den ich zu meiner eigenen Schöpfung degradiert habe, fehlt logischerweise nur eins: Die Selbstliebe.

Daher ist die Selbstliebe das erste und höchste Gebot dieser selbsternannten Götter! Dann kommt lange nichts… und danach auch nichts… und letztlich – gar nichts mehr.

Denn außer mir selbst und meiner Resonanz (Schöpfung) gibt es in dieser traurigen Welt ja auch nichts.

Wer also komplett in der Selbstliebe angekommen und erleuchtet ist, dem „begegnen“, bzw. erscheinen folglich nur noch liebevolle Menschen! Egal wohin er geht. Egal in welche Kreise er sich begibt. Ja, selbst wenn er unter einer Horde von grausamen Mördern wäre – das wären sie zwar weiterhin, aber sie erschienen ihm nun als die lichtvollsten Engel des Universums! So müsste es jedenfalls anhand dieser Gesetze sein.

Die Realität sieht womöglich ein klein wenig anders aus.

Das andere ist: Es entsteht ein verkürzter Realitätsbezug, wenn jemand bei jeder „Spiegelung“ immer und sogleich zu sich selber „zurückkehrt“. Die Situation wird entweder beschönigt oder verharmlost. Konflikte nicht mehr gelöst, sondern negiert oder mit einer „liebevollen“ Geste überstrichen. Gegenüber Anfeindungen wird sich nicht mehr abgegrenzt, sondern sie in endloser Toleranz „zurechtgeliebt“ bis die eigenen Grenzen bis hin zur Selbstaufgabe und einer Art Burnout ausgelöscht sind. Wozu auch Grenzen? Jeder geht in jedem auf? Der Andere bin ja eh nur ich… ich gehe ja nur in mir selber auf!

Erst wenn das ganze System von Wahn und Narzissmus sowie Lebensunfähigkeit und falscher Toleranz wieder und wieder in sich kollabiert, reduziert es sich am Ende wieder auf seinen kleinsten gemeinsamen Nenner: Die Psychologie. Und so finden die selbsternannten Götter doch noch einen Menschen oder einen Guru oder einen Erleuchteten… der ihnen kurz Kraft spendet, bis es ihnen wieder einigermaßen gut geht. Gut genug, um oft nur abermals dem alten Credo zu folgen: Dass es im Leben nur um Selbstliebe geht und um die Erweckung der eigenen Göttlichkeit usw…

Dazu kommen noch die anderen „Götter“, die eine rechtfertigende Antwort für sich inzwischen längst gefunden zu haben scheinen und aufmunternd zusprechen: Ja, du bist nun mal ein ganz großer Geist, jemand, der schon besonders weit ist… sieh‘ doch mal, was du schon alles erlebt und erlitten hast!

Damit wird in diesem System Leid letztlich zu einem Echtheitszeichen eines großen Geistes und Gottes! Jeder wetteifert mit seiner Geschichte des Leids um die Anerkennung vor seinen „göttlichen Leidensgenossen“, die dann entsprechend ehrfürchtig raunen: Oh, ja… was für eine alte, ehrwürdige und große Seele du doch bist!

Wohlan, wen wundert’s, wenn diese Welt immer kälter und gruseliger wird?

Und, war das nicht ebenda noch ein Relikt aus der kath. Kirche, in der man sich auch mittels Leid den Himmel erkaufen wollte? Nur jetzt in einer moderneren Verpackung?

Lieber Mitmensch. Und ich spreche dich bewusst so an, weil ich dich ganz und gar nicht als meine eigene Schöpfung betrachte!

Sondern als ein einzigartiges, geliebtes Geschöpf Gottes in dessen wunderbarer Schöpfung!

Und in Offenheit, dem Unerwarteten und Unvorhersehbaren gegenüber, welches das Wunder einer Begegnung in echter Interaktion beinhalten kann. Wenn sie von Liebe getragen, eine völlig neue und noch unbekannte Welt in einer neuen Dimension eröffnet!

Lieber Mitmensch. Kann es sein, dass Selbstliebe als höchstes Gebot weder dich noch mich ans Ziel führt?

Was nämlich noch überzeugender sein könnte, als die an sich schon überzeugende Realität, ist die herausragendste Gestalt unserer Menschheitsgeschichte: Jesus Christus.

Kann es vielleicht sein, dass IHN bis heute niemand wirklich verstanden hat? Dass wir zwar von seinen Gedanken zehren, wie Verhungernde, die sich an der Rinde satt kauen, aber innerhalb dieser Rinde noch gar nicht vorgedrungen sind?

Was wäre, wenn es tatsächlich stimmt, dass Nächstenliebe eines der höchsten Gebote ist? Jesus sagt sogar in Bezug auf Selbstliebe: Wer seine Seele verliert (aus Liebe zu IHM) der wird sie gewinnen, wer sie gewinnt, wird sie verlieren!

Ist das Ego-Problem nicht automatisch gelöst, wenn man sich als ein ausschließliches Gefäß der Liebe erfährt? Und nicht als ein konkurrierender Mitschöpfer?

Wenn man weiß und erlebt und in absoluter Hingabe und Demut erfährt: Umso weniger man selber ist, umso mehr lebt Gott in einem?

Was wäre, wenn ich erst, wenn ich den anderen liebe – auch mich selber lieben kann? Und nicht umgekehrt wie es nur auf den ersten Blick so unglaublich schlüssig ist.

Was wäre, wenn ich mich selber gar nicht lieben bzw. erfahren kann, weil nur der Mensch im Außen, nicht als Spiegel, sondern als Objekt der Liebe, realistisch erfahrbar wird?

Vielleicht ist es dann schlicht so: Dass Liebe gepaart mit Weisheit und Vernunft nicht einfach nur lieb sein ist, sondern echte Anteilnahme am Mitmenschen?

Dass Abgrenzung gegenüber Mitmenschen, die einem Böses wollen, keineswegs lieblos ist, sondern vernünftig und klug und am Ende auch liebevoll? Nämlich für alle Beteiligten?

Vielleicht stellen sich dann, wie durch ein Wunder, alle diese Früchte ein, für die man sich vorher so vergeblich verausgabt hat. Nämlich ein Mensch der Liebe zu sein.

Ist es nicht einfach so:

Jemand der bedingungslos geliebt wird, liebt.

Jemand dem grenzenlos vergeben wurde, vergibt.

Und jemand, der völlig angenommen ist, nimmt auch sein Gegenüber an?

Wer hingegen nur sich selber liebt – kreist auch nur um sich selbst.

Und irgendwann werden die Bahnen immer enger und einsamer.

Zeigt es nicht schon die Vernunft, dass das nicht Liebe sein kann: Nur sich selbst zu lieben?

Dass Liebe ein „Du“ braucht, ein echtes Gegenüber? Dass Gottes- und Nächstenliebe daher EINS sind und so der Mensch zu einem liebenden Universum wird und nicht nur zu einem einsamen Planeten, der um sich selber kreist.

Werden wir so nicht wieder echte Mit-Menschen, die sich um einen Mangel an Selbstliebe sicher nicht kümmern müssen? Die nicht mehr nur von der Liebe sprechen, sondern sie auch leben?

Liebe Mitmenschen. Es ist an der Zeit Neues zu wagen!

lebenslebendig

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Veröffentlicht von

lebenslebendig

seit mehr als 25 Jahren bin ich auf meinem spirituellen Weg der durch viele esoterische Richtungen wieder zurück zum Christentum geführt hat. All die Jahre hindurch hat mich das Studium sämtlichen Schriften aus dem Urchristentum nie losgelassen. Mir geht es inzwischen absolut wie in dem Gleichnis von dem Schatz im Acker oder dem, der DIE Perle gefunden hat: „Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.“ ( Matth. 13,44-45)

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