Verlieben – in wen?

Es ist vielleicht nicht sehr „romantisch“ über das Verlieben zu schreiben. Und manch eine(r) empfindet es vielleicht gar wie eine „Entheiligung“ eines Geheimnisses, aber spätestens wenn sich in unseren Beziehungen gewisse Muster wiederholen, die uns Fragen aufwerfen, wollen wir vielleicht doch mal etwas genauer hinschauen.

Ist die Tatsache, dass wir uns in jemanden Verlieben tatsächlich eine Art Garantie den optimalen Partner gefunden zu haben? Um so größer die Verliebtheitsgefühle um so größer das Potential für die ganz große Liebe?

Und was ist, wenn Verstand und Vernunft Alarm schlagen?

Seit es Kitschromane gibt und Hollywood unsere Art von partnerschaftlicher Liebe prägt hören wir von allen Seite nur noch: „Folge deinem Herzen!“ oder: „Dein Herz allein kennt den richtigen Weg!“

Gemeint ist immer, sich einfach dem Verliebtheitsgefühl voll und ganz hinzugeben und zu vertrauen, dass es der richtige Weg ist, dass es der Weg zur Liebe ist und dass sich die Liebe freilich niemals irren kann. Letzteres, weil partnerschaftliche Liebe zur göttlichen Liebe hochstilisiert wurde und wird ohne je noch darin zu unterscheiden!

Wenn alles gut läuft wird dieses „folge deinem Herzen“ niemand hinterfragen.

Aber was ist mit den Vielen, die sich auf dieses Gefühl leider nicht verlassen konnten oder können? Bei denen es offensichtlich kein Gradmesser für den richtigen Partner zu sein scheint? Und das, obwohl sie es so sehr versuchen… es so sehr suchen, dieses Gefühl, es so sehr haben und finden wollen!

Vielleicht zu sehr?

Kann es sein, dass die besonders romantischen Verliebtheitsgefühle oft sogar das Gegenteil einer wirklich potentiellen und tragfähigen Liebe bedeuten?

Kann es sein, dass wir Verliebtheitssüchtig werden können? Eine Art Junkie, welche sensible, gesunde und qualitative Verliebtheitsgefühle nicht mehr empfinden können – nicht mehr sensibel genug dafür sind?

Kann es sein, dass Verliebtheitsjunkies diesen besonderen Kick überhaupt erst deswegen erleben weil auch entscheidende Verletzungsmuster, die wir vielleicht seit unserer Kindheit in uns tragen, auf entscheidende Weise mitbedient werden?

Was so viel heißt wie: Dass wir uns also nur noch in die verlieben können, die uns auch verletzen werden? Unbewusst natürlich!

Gibt es darüber hinaus vielleicht auch noch so etwas wie negierte Verletzungsmuster? Eigenschaften, die sich auf Menschen beziehen, die wir sehr verurteilen und die damit auch unausgesöhnt in uns selber sind?

Es hat Studien darüber gegeben, warum ausgerechnet Kinder aus Alkoholiker-Familien sich sehr oft wieder einen Partner „suchen“, der Alkoholiker ist.

Dabei wird oft damit argumentiert, dass dies deshalb geschieht, weil es ihnen vertraut ist, sie sich im selben Milieu wohl fühlen, weil sie es nicht anders kennen – es sich nicht anders gönnen und Wert sind.

Mag sein.

Aber ist die folgende Erklärung nicht auch sehr wahrscheinlich:

Dass diese Kinder eben nicht den Alkoholiker suchen, sondern das genaue Gegenteil. Dass sie den Menschen suchen, der am allerwenigsten damit zu tun hat, ja den Anti-Alkoholiker der Alkohol genau so verabscheut und verurteilt wie sie selber?

Denn derjenige, der eine Sache am allermeisten verurteilt und verabscheut, der tut genau wiederum diese Sache – wenn auch nicht immer in der selben Form. Und so ist der Anti-Alkoholiker auch wieder ein Alkoholiker oder zumindest auch oft ein sucht-belasteter Mensch!

Was hier in extremer Weise zutrifft und damit besonders anschaulich wird, trifft aber wohl auf alle Bereiche zu.

So fühlen sich nicht wenige Menschen von Narzissten und selbstsüchtigen Partnern besonders angezogen, nicht etwa weil sie so jemand suchen, sondern im Gegenteil, weil sie in Wahrheit einen Partner suchen, der ihnen alle Aufmerksamkeit und intensive Liebe schenkt. Aber kein anderer potentieller Partner versteht sich mehr auf diese Art von Intensität und punktueller Aufmerksamkeit als eben der selbstsüchtige Narzisst!

Wir suchen den Menschen, der eine übersteigerte Sehnsucht in uns zu erfüllen scheint und sei sie noch so weltfremd und überidealisiert. Und so geraten immer wieder zwei Ertrinkende zueinander. Zwei Ertrinkende, die sich mit ihren gegenseitigen Schwimmübungen so sehr beeindrucken, dass sie gar nicht merken, dass auf der Kehrseite dieser Medaille ein Mensch ist, der gar nicht schwimmen kann! Ja mehr noch, ein Gegensatz davon.

Wir fallen nämlich gerne auf den Schein herein, wenn uns diese Art von Verliebtheit blind macht. Und blind sind wir offenbar sehr schnell auf beiden Augen, wenn eine Verletzung in uns angestoßen oder mit seinem Gegensatz idealisiert wird.

Und so bringen wir uns mit unserer übersteigerten Sehnsucht nach Liebe immer genau in die Situation, dass wir uns am Ende so fühlen, wie wir uns eben gar nicht mehr fühlen wollen.
Wie verhext kriegen wir es immer wieder hin, dass uns selbst der Mensch, von dem wir es am allerwenigsten erwartet hätten, so behandelt, wie wir es mit allen Mitteln vermeiden wollten.

Nicht weil wir ihn dazu gemacht haben, sondern weil wir ihn dafür GESUCHT haben. – Unbewusst natürlich.

Und noch ernüchternder ist wohl diese Wahrheit: Weil wir uns in einen anderen Menschen gar nicht verlieben könnten!

Denn das können wir nun mal nicht machen, dass wir uns „in den Richtigen“ verlieben, so sehr wir das auch wollten.

Es ist wie ein Fluch, sich immer in die unerlöste Variante zu verlieben, während die erlöste Variante neben uns stehen könnte. Wir würden sie nicht bemerken bzw. sie macht uns einfach nicht an solange die „Sucht“ nach dem verletzenden Kick besteht, welcher von der Empfindung her immer intensiver, blendender und euphorisierender ist als es gesund, gut und lebbar für uns ist.

Es scheint alles sehr ernüchternd und ausweglos zu sein. Aber ernüchternd ist das bessere Wort in diesem Fall. Denn wie bei jeder Sucht geht es um Enthaltsamkeit und daher können diese oft „doxischen“ und selbstzerstörerische Beziehungsvarianten auch eine heilsame Komponente in sich tragen, wenn sie uns „ernüchtern“ können, wenn sie dazu führen können, dass wir unser Beziehungsverhalten ändern bzw. wir eine Zeit der Enthaltsamkeit einlegen und wir unsere verletzten Anteile mit Gottes Hilfe wieder in uns integrieren.

Vielleicht steht dann der selbe oder ähnliche Mensch wieder mal neben uns und diesmal finden wir ihn zumindest interessant, können uns für die Möglichkeit öffnen, dass Liebe und Verliebt-sein nicht immer mit einem Feuerwerk der Gefühle einhergehen muss, nicht mehr den Anspruch hat überragend blendend sein zu müssen, sondern vielleicht nur leuchtend aber wärmend und sich dafür immer mehr entfaltend und ergänzend. ..

Der Gott der Liebe sei unser Mittelpunkt und damit genau die ausgleichende Kraft die uns gesunde Beziehungen wieder ermöglicht.

Ob Gott wirklich an erster Stelle steht, erkennt man nirgendwo anders klarer und besser als hier.


lebenslebendig

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Veröffentlicht von

lebenslebendig

seit mehr als 25 Jahren bin ich auf meinem spirituellen Weg der durch viele esoterische Richtungen wieder zurück zum Christentum geführt hat. All die Jahre hindurch hat mich das Studium sämtlichen Schriften aus dem Urchristentum nie losgelassen. Mir geht es inzwischen absolut wie in dem Gleichnis von dem Schatz im Acker oder dem, der DIE Perle gefunden hat: „Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker. Wiederum gleicht das Himmelreich einem Kaufmann, der gute Perlen suchte, und als er eine kostbare Perle fand, ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte sie.“ ( Matth. 13,44-45)

Ein Gedanke zu “Verlieben – in wen?”

  1. Tja,
    eine essentielle, wie umfängliche Fragestellung…

    … und wie „verpönt“ ist es (;-), nach der Tragfähigkeit des „neuen Wirs“ zu schauen?
    Ich stelle mir oft die Frage,
    was dieses wirren und intensiven Emotionen beim Verlieben denn so machen.

    Sind es schon Gefühle? … denen ich persönlich, wie vielleicht auch semantisch eine tragende Rolle im doppelten Sinne zugestehe?

    Gibt es eine Grenze, wie bei der Unterscheidung von „Spaß“ und „Freude“,
    wo man meinen könnte, daß hier die Grenzen fließend wären.
    Doch wieder stelle ich mir die , ja, unromantische Frage, was ist hier tragend
    und damit auch „ausbaufähig“.

    Bei der Verliebtheit wäre es die Frage nach der „Entwicklungsfähigkeit“ der Beziehung.
    Wünschen sich beide Partner zu wachsen, an und mit dem anderen, zwei starke „Du´s“ zu einem noch stärkeren „Wir“ …

    Hmm, könnte jetzt in Richtung Qualität denken, so ganz unromatisch …!

    Das für mich Entscheidende ist, daß es diese „bedingungslose Bejahung“ gibt
    und auch gemeinsam „in eine Richtung zu schauen“.
    Ist das dann noch gepaart mit Hingabe,
    wo ich immer gerne von 4-facher Hingabe spreche
    2x „aktiv&passiv“, dann geht vieles einfacher,
    hin zu der Verbundenheit, nach der wir uns ja auch sehnen.

    Ist in etwa so auch unsere Verbindung zum Herrn,
    so rein „strukturell“, auch wenn es erstmal sehr einseitig ist …?

    Danke für die Worte und den mehr als spannenden Impuls,
    Raphael.

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