Was heißt: Verleugne dich selbst? Lk. 9,22
Jemanden verleugnen heißt ja, jemanden nicht kennen wollen bzw. nicht anerkennen wollen, dessen Bekanntschaft man bereits hat bzw. gemacht hat.
Auf sich selbst bezogen würde das dann ja heißen: Sich selbst nicht kennen wollen oder entgegen jeder Selbsterkenntnis leben wollen?
Aber sind Selbsterkenntnis uns Gotteserkenntnis nicht eins bzw. jeweils einer der beiden „Füße“, auf denen wir Gott und damit auch uns selbst näher kommen sollen?
Ja! Wird in Esoterik und Psychologie sofort laut geschrien! Und es wird somit vielmehr dieser Satz Jesu verleugnet und als kontraproduktiv angesehen, als vielleicht mal etwas mehr in die Tiefe zu gehen. Wie so oft, in Bezug auf die Bibel, wo man schnell dabei ist etwas als überholt anzusehen, weil man durchaus nicht anerkennen will, dass Christsein immer eine tiefere Dimension meint und anspricht, als die weltliche Form es ist, die direkt und vordergründig versucht sich ins Geistige zu erheben.
Ein Beispiel dafür bringt Viktor Frankl auf die Frage, wie man glücklich wird, indem er sagt: „Je mehr man dem Glück nachjagt um so mehr verjagt man es auch schon.“ Er betont dann weiter, dass das Glück und was wir darunter verstehen, ein Nebenprodukt unserer Sinnsuche ist, ja alle Dinge, die wir direkt erreichen wollen und uns so wichtig sind, ein Nebenprodukt einer höheren Gesinnung sein soll und sich letztlich auch nur so erfüllt.
Und genau so ist es nun auch bei dem Sich-selbst-verleugnen und der Selbsterkenntnis. Wer zur Selbsterkenntnis kommen will, muss sich erst einmal vollständig selbst verleugnen! Das hört sich erst einmal genau so paradox und widersprüchlich an: Nicht nur seine weltlichen Wünsche oder schlechten Eigenschaften, sondern vollständig alles?
Wie geht das?
Die Antwort findet man bei Swedenborg. Er behauptet nach vielen Jahren der Erfahrung mit Geistern und Engeln, dass ihm kaum etwas gewisser geworden ist, als die Erkenntnis, dass kein Mensch oder Geist aus SICH selbst heraus denkt. Alles was wir denken, so Swedenborg, stammt aus den Geistern (oder auch Engeln) die uns unmittelbar umgeben. Diese verändern und wechseln aber genauso, wie auch die Kontakte und Bekanntschaften in unserem äußeren Leben und Umfeld, sei es im Berufs- oder Alltagsleben.
Identifizieren wir uns mit den Gedanken unserer Arbeitskollegen oder sonstiger Menschen denen wir begegnen? Behaupten wir, wir sind diese Menschen?
Wenn wir das im Äußeren nicht tun, warum sollten wir das im Inneren tun? Swedenborg beschreibt, wie er oftmals erfahren durfte, wie Menschen, von denen die Geister entfernt wurden, die sie umgeben haben, gar nichts mehr denken konnten und wie leblos daliegend um „Luft“ rangen. Und dabei war es nicht entscheidend ob die Geister gut oder böse waren, die den Menschen umgaben und er schreibt weiter, dass daher der HERR vorsieht, dass beim Menschen immer Geister von „oben her“ und aber auch von „unten her“, sind um die Freiheit des Denkens und Entscheidens zu gewährleisten. Der Mensch aber meint, dass sei alles er selbst, was er da denkt. Wir würden vielleicht noch anerkennen, dass es eine Art Geister geben mag, die Böse ist und einen entsprechenden Einfluss ausübt, wie wir das bei einer Art Besessenheit kennen. Aber, dass wir gar nichts aus uns selber denken und weder der gröbere Einfluss der bösen Geister, als auch der feinere Einfluss der guten Geister (oder Engel) aus uns selber kommt, das können wohl nur wenige anerkennen oder mit eigener Erfahrung unterlegen. Aber genau dies ist überaus wichtig und für alle, denen das neu ist, dies erst mal so zu hinterfragen. Es befreit uns von unseren Identifikationen an sich und erst darin ist volle Freiheit und Selbstreflektion und der gesunde Abstand zu uns selber möglich. Wenn alle Geister, Engel und Menschen, nach Swedenborg, nur Gefäße sind und nicht das Leben aus sich selbst haben, dann ist das nicht nur biblisch (siehe u.a. Joh. 5,26), sondern es befreit uns auch von dem Hochmut und der Anmaßung, dass Gutes denken und vor allem Tun von uns selbst kommt. Es kommt somit von guten Geistern in aufsteigender Hierarchie, da letztlich nur der HERR selbst das GUTE ist, dass der Reihe nach unten in alle Menschen (und Geister) einfließt, je nachdem wo jedes Wesen in dieser Hierarchie aufgrund seiner aufnahmefähig entsprechend steht.
Wenn wir diesen Gedanken konsequent denken, macht es uns in der Regel Angst, es stellt sich die Frage, wer sind wir dann überhaupt? Was ist mein Ich? Und der ego-zentrierte Mensch tut sich sehr schwer mit dem Gedanken NICHTS zu sein, zumindest nichts Großes oder Besonderes! Er will ohnehin nicht anerkennen, dass er ohne den Einfluss des HERRN überhaupt existieren könnte. Jeder Gedanke der die eigene, abgegrenzte Identität gefährden könnte, wird von ihm sofort in Bausch und Bogen verworfen. Er ist Selbstverliebt und glaubt an seine Identifikation und dass alles nur aus IHM selbst kommt und von niemand und nirgends wo anders her!
Wenn Jesus nun sagt: „Verleugne dich selbst.“ Dann können wir in diesem Zusammenhang noch anerkennen, dass wir unsere Süchte oder bösen Neigungen verleugnen sollen. Und wenn wir nun jemand sind, der an sich arbeiten will, dann identifizieren wir uns erst mal total mit unseren negativen Eigenschaften in der Hoffnung, sie damit „aufzulösen“ und wenn das nicht hilft, wie z.B. bei Süchten, dann gehen wir vielleicht in eine Selbsthilfegruppe der Anonymen… und das Thema nimmt in unserem Leben dann sozusagen 90 Prozent unserer Identifikation ein. Und um so mehr wir auf diesen direkten Weg der Selbsterkenntnis voranschreiten um so mehr glauben wir, wir erkennen uns, aber dabei identifizieren wir uns nur immer stärker mit unzulänglichen Geistern, laut Swedenborg und merken gar nicht mehr, dass die Identifikation an sich das Problem ist. Und er hat recht, ich kann es inzwischen selber bezeugen, dass er recht hat.
Die Frage die sich stellt ist, was ist mir wichtiger? Dass ich mich mit meiner Unzulänglichkeit identifiziere nur um mein aufgeplustertes Ego zu wahren oder dass ich mich davon ihm Namen Jesus lossage, weil ich erkenne, dass ich ohne IHM diesen Kräften weitgehend ohnehin ausgeliefert bin und so nur zum Spielball werde, mit immer anderen Geistern (die nicht gerade positiv sind) und sich im Hintergrund ins Fäustchen lachen, weil wir ihnen so dermaßen sicher ausgeliefert sind, solange wir das Spiel nicht durchschauen.
Verleugne dich selbst, meint also tatsächlich ALLE Bereiche unseres Seins! Jesus stellt diesen Satz ganz bewusst absolut, weil es auch nur so funktioniert, mit der Erlösung, aber auch mit der Selbsterkenntnis!
Selbsterkenntnis ist eben auf den direkten Weg ebensowenig erreichbar wie das Haschen nach Glück. Erst wenn wir uns in JEDER Hinsicht selbst verleugnen, d.h. weder mit guten noch mit bösen Gedanken identifizieren, bekommen wir den nötigen Abstand zu uns selbst, der dann vor allem aus Liebe und Demut besteht und eine nüchterne Selbstbetrachtung in der Liebe Jesu überhaupt erst ermöglicht. Da ich mich aber mit nichts identifiziere, verliert dabei insbesondere das Negative seine Macht über mich und die einzige Frage die sich stellt ist nur noch, was umgibt mich gegenwärtig, aber nicht in dem Sinne darin Ursachen oder Zusammenhänge zu erforschen sondern in dem Sinne, es nach seiner Gesinnung, nach seiner Geisteshaltung, ja nach seiner Liebe, zu erforschen: „Ist das was mich umgibt ein guter oder ein eher böser Geist?“ Die Prüfung der Geister, wie das Paulus nennt, bekommt damit eine ganz zentrale Bedeutung, denn böse Geister sind auch solche, die einem ein schlechtes Gewissen machen oder Angst einflössen oder Befürchtungen wecken!
Um so mehr wir also wieder geübt werden, mit JESU Hilfe, die Bösen Geister und Gesinnungen von uns zu weisen, je sensibler werden wir auch (und gerade) auf diese scheinbar „moralischen“ Gedanken und Einflüsterungen, die unser Leben so sehr vereinnahmen und wir werden sie wieder aufdecken und von vornhinein in ihre Schranken verweisen. Auch einer bösen Vorahnung, so wahr sie auch sein mag (oder sich oft als wahr erweist), bin ich nicht ausgeliefert, sondern ich kann sie von vornhinein abwenden, indem ich Jesus darum bitte, diese Geister, die dieses Negative in mit vorbereiten und ausführen wollen, nicht ausgeliefert zu sein. In diese höhere Dimension, der „Meisterschaft“, komme ich aber nur, wenn ich Jesus mein Leben übergeben habe und von vornhinein in der Hingabe zu ihm wachse und alles Weltliche loslasse, ja dieser Welt nicht mehr ausgeliefert bin. Anders funktioniert das nicht, es braucht den Bruch mit dem alten Leben und die Umkehr und Taufe in Jesus Christus und ein voranschreitendes Leben in IHM
Viele in der Esoterik werden vielleicht noch knapp bis dahin folgen und sagen, ja, ich kann und mach das auch. Ich identifiziere mich nicht mit dem Negativen und lege es Gott hin bzw. transformiere es. Doch, ohne es zu merken ist man damit im alten Leben geblieben und es wird sich nichts ändern. Nichts wesentliches jedenfalls. Warum kann ich das sagen? Weil ich es selbst lange versucht habe und viel zu sehr gezögert habe diesen absoluten Schritt mit Jesus zu gehen. Denn du magst dich vielleicht nicht mehr mit den negativen Aspekten identifizieren, damit gebe ich dir recht, aber du wirst dich mit den guten Gedanken und Taten identifizieren und das ist ebenso (wenn nicht noch viel mehr) das Verhängnis! Niemand kann das Negative verleugnen, wenn er nicht auch das Positive verleugnet und sich auch das nicht zuschreibt oder anders gesagt: Wer sich das Positive zuschreibt, der schreibt sich (unbewusst) immer auch das Negative zu bzw. bleibt diesem ausgeliefert. Das ist eben das unumstößliche Gesetz der Erkenntnis von Gut und Böse, von dem die Bibel spricht.
Es ist nicht schwer böse Eigenschaften zu verleugnen. Der selbstverliebte Mensch, der sich zudem ständig „Selbstliebe“ suggeriert, wird ohnehin vor Liebe zu sich selber immer mehr blind und sieht seine bösen Eigenschaften und lieblosen Verhaltensweisen irgendwann nicht mehr. Nur diese Demut aus Liebe zu Jesus Christus welche in dieser Selbstaufgabe und völligen Hingabe zu IHM mündet, macht möglich, dass man wertfrei auch sich selber gegenübersteht und erkennt: Nicht in unserer vermeintlichen Stärke und unserem vermeintlichen „Gut-Sein“ liegt eine Kraft, sondern oft in dessen Gegenteil: Wenn wir ertragen können in keinster Weise gut aus uns selbst heraus sein zu können und in dieser Demut Gott viel mehr durch uns wirken kann. Dass nur Jesus Christus, das einzige Leben und die Liebe ist und wir alle nur Gefäße dieses Lebens mehr oder weniger sind. Nur ER ist tatsächlich das Leben aus sich selbst, wie es die Bibel bezeugt. Nur ein zerknirschtes und sich „sündig“ fühlendes Ego ist ein kleines Ego. Und wenn es in Jesus Christus aufgeht, wird es nie in Selbstverachtung oder anderen neurotischen oder gar psychotischen Zuständen enden. Denn der Liebende wird frei, auch von allen Geistern die ihn niedermachen oder negative Dinge einreden. Ein Mensch, der nichts sein will und sich auch mit seinem Bösen nicht identifiziert, bleibt eben genau davon frei! Er erlangt wieder die Unterscheidung der Geister, weil er eben den nötigen Abstand zu sich selber hat und die unlauteren Geister am Unterton ihrer Stimme erkennt. Ja, er distanziert sich wirksam davon, weil er den anruft, der einzig und allein Macht hat, davon zu befreien: Jesus Christus. Und daher gilt diesbezüglich auch was Jesus an anderer Stelle sagt: „Niemand kann zwei Herren dienen, er wird immer entweder den einen lieben oder den anderen verachten“.
Wenn ich mich selber so sehr liebe, dass ich mir das Gute zuschreibe, so mache ich mich selber zu Gott, egal welches Gottesbild ich haben mag, demnach wird mir auch das Böse zugeschrieben werden, mit dem ich als „Gott“ ja selber fertig werden will. Eine Rechnung, die nie aufgehen kann.
lebenslebendig